Mit dem UL nach Niederöblarn
von Eric Böhnisch-Volkmann
Als neues Mitglied im Verein war dieser Aus-Flug neben den Ausbildungsflügen nach Heubach und Umgebung mein erster großer Flug und für mich persönlich hätte die gesammelte Erfahrung nicht größer sein können. Ein Reisebericht aus Sicht eines Flugschülers über einen Ausflug nach Juist, der ganz woanders endete und besser nicht hätte sein können.
Im Rahmen meiner UL-Ausbildung beim LSV wuchs in mir der Wunsch, einmal mehr zu machen als nur die Ausbildungsflüge nach Heubach und Umgebung. Fliegen sollte Teil meines Lebens werden, mit Flügen zu weiter entfernten Zielen. Aber wie ist das eigentlich, eine längere Strecke zu fliegen? Wie plant man so einen Flug? Was muss man beachten? Und mit was könnte man zwischendurch konfrontiert werden?
Solche Dinge lernen wir im Theorieunterricht bei Wolfgang und Tobi, aber die Wirklichkeit sieht vermutlich doch anders aus. Also stelle ich eine Anzeige in unser Teams und fragte herum, wer sich mit mir auf einen solchen Flug wagen würde. Als Ziel hatte ich mir Juist herausgesucht. Ich mag das Meer, es war Spätsommer und ich wollte ein Ziel haben, das man eben nicht einfach auf die Schnelle mit dem Auto erreichen würde.
Es finden sich drei Fliegerkameraden, die sich an der Unternehmung beteiligen wollen: Hans Jürgen Reichardt, Michael Mennicken und Oliver Eichhorn. Ich selbst fliege in der Ausbildung auf der D-MIVA. Das neue, modellgleiche (und doch andere) UL, die D-MECI, ist zu diesem Zeitpunkt gerade neu im Verein eingetroffen.
Vor dem Abflug
Denkt man als Flugschüler noch „Da will ich hin, also fliege ich da hin“, bremst mich Hans-Jürgen. Das Ziel sollten wir nicht zu fest ins Auge fassen und stets das Wetter im Auge behalten. Vor allem sei es auch langweilig, drei Stunden geradeaus zu fliegen. Nicht gerade das, was ich hören möchte. Die ersten beiden Erkenntnisse: Wir fliegen VFR. Das Wetter entscheidet. Und wir fliegen im Verein und somit gemeinsam. Alle dürfen und sollen mitentscheiden.
Am Abend vor dem Flug besprechen wir per Teams unsere Optionen. Der Norden scheidet wegen drohendem Schlechtwetter in Mitteldeutschland aus. Also konzentrieren wir uns auf den Süden und Osten. Wien ist eine Idee, doch hier soll sich das Wetter, so gut es am Samstag noch aussieht, am Sonntag verschlechtern. Dritte Erkenntnis: Es ist nicht nur entscheidend, wo du hinfliegst, sondern auch, wie Du von dort wieder wegkommst. Diese Aussage sollte mir noch mehrfach begegnen.
Wir entscheiden uns für den Südwesten, Richtung Österreich, unter anderem aufgrund Hans-Jürgens reichhaltiger Erfahrung mit den Alpen. Am Ende des Abends haben wir einen groben Plan: Um 9 Uhr Treffen am Flugplatz, um 10 Uhr 30 Tanken in Heubach und dann nach Kempten für die finale Planung. Wenn alles passt, Weiterflug nach Niederöblarn (LOGO).
Erster Tag
Nach einer unruhigen Nacht wache ich früh auf, packe meine Sachen und kaufe noch ein paar Snacks und Getränke ein. Um 8 Uhr 30, eine halbe Stunde früher als vereinbart, treffe ich am Flugplatz Hans-Jürgen, der bereits die D-MECI aus der Halle zieht. Ich bin wohl nicht der einzige, der es nicht abwarten kann…
Abflugcheck, letzte Absprachen und ab auf der gut eintrainierten Strecke nach Heubach (EDTH). Michael und Oliver auf der D-MECI, Hans-Jürgen und ich, als Flugschüler ohne Lizenz auf dem rechten Platz, auf der D-MIVA. In Heubach fliegen Michael und Oliver dann noch einen ausstehenden Checkflug und dann geht's weiter nach Kempten (EDMK), jetzt mit mir auf dem linken Platz zusammen mit meinem Fluglehrer Michael.
Ich bin zu diesem Zeitpunkt fast zweieinhalb Monate nicht mehr geflogen. Urlaub, Wetter und die Werkstattzeit der Flugzeuge hatten das ihrige dafür getan. Aber es scheint ein wenig wie Fahrradfahren zu sein. Unser Weg führt uns von Heubach an der A7 entlang an Ulm vorbei nach Kempten und zu meiner ersten Landung auf einem Grasplatz. Zudem darf ich mein frisch gebackenes BZF im echten Leben beweisen, was sich zusammen mit Fliegen und Denken zur gleichen Zeit als gar nicht so trivial herausstellt. „Michael, mach du bitte… :D“
Erkenntnis Nummer 4: Theorie ist das eine, Praxis das andere. Was ich in der Theorie bereits beherrsche, muss sich in der Praxis erst noch etablieren.
Das Mittagessen in Kempten von eher mittelmäßiger Qualität lässt uns Zeit genug für die Planung des dritte Legs. Wir entscheiden uns für die Strecke Füssen, Reutte, Innsbruck, Brenner, Brixen, St. Lorenz, Lienz, Zell am See und dann nach Niederöblarn, südlich des Hauptalpenkamms und durch Italien. Hans-Jürgen gibt den nötigen Flugplan auf und ich lerne dazu.
Hinter Reutte öffnet sich der Himmel, wir konnten auf die geplante Höhe von 10.000 Fuß steigen und die neue D-MECI absolviert ihren ersten Auslandsaufenthalt. Obwohl bis auf den Propeller nahezu baugleich mit der D-MIVA, ist sie deutlich schneller und steigt besser. Leider geben Fotos nicht im Ansatz den gigantischen Blick wieder, den wir über die Alpen hatten.
Wir biegen nach Norden ab Richtung Zell am See, lassen den Großglockner links liegen, fliegen über einen Kamm und gehen schließlich in den sehr langen Endanflug auf Nideröblarn. Zwei Stunden dauerte der Flug und wir stehen vor traumhaftem Bergpanorama bei bestem Wetter. Dafür gestaltet sich das Finden einer Unterkunft hier mittem im Nirgendwo als schwierig, aber letztendlich machbar. Wir müssen nicht unter der Tragfläche schlafen, nur eine Tür zum Bad hätte dem Zimmer nicht geschadet.
Letzte Erkenntnisse des Tages: Erwarte Veränderung. Es gibt immer Lösungen. Im Team fliegt es sich leichter.
Zweiter Tag
Am nächsten Tag sammeln sich, im Gegensatz zum Vortag, bereits einige Wolken an den Hängen und es sieht im Osten nicht ganz so gut aus. Aber wir wollen ja zurück Richtung Westen. Der freundliche Wirt shuttelt uns zurück zum Flugplatz. Ich bemerke: So mobil und schnell man in der Luft ist, so sehr ist man am Boden auf Unterstützung angewiesen.
Die Flugzeuge haben die Nacht gut überstanden und erwarten uns mit Tau überzogen. Am Vorabend hatten wir in weiser Voraussicht aufgetankt — weniger Luft im Tank bedeutet weniger Kondensationswasser im Tank. Nur das Öl müssen wir bei beiden Flugzeugen auffüllen. Wir führen den höheren Verbrauch auf auf die hohe Flughöhe und das relativ fettige Gemisch zurück.
Es geht Richtung Heimat mit erstem Zwischenziel Bad Wörishofen. Wir verzichten auf die Formation und auch ein Flugplan ist nicht nötig, da wir uns lediglich in Österreich und Deutschland aufhalten werden.
Unsere Route führt uns zurück nach Zell am See in 10.000 Fuß für die Aussicht, dann am Hochkönig vorbei und dem steinernen Meer entlang, Kufstein, entlang der Südspitze des Starnberger Sees direkt nach Bad Wörishofen. Wir sind wieder knapp zwei Stunden unterwegs, starker Gegenwind sorgt bei 180 km/h TAS für eine Groundspeed von knapp 120 km/h. Unsere Kameraden in der D-MECI wählen den tieferen und schnelleren Weg und treffen eine halbe Stunde vor uns ein.
In Bad Wörishofen zeigt sich einmal mehr, wie wichtig gute Flugvorbereitung ist. Auf dem Papier habe ich alle Unterlagen dabei, aber trotz Karte fällt es mir im Flug schwer, die Graspiste zu erkennen. Ein Blick auf Google Maps hätte hier für mich viel gebracht. Wir fliegen im langen Endanflug die Piste an. Merke: Die Einteilung der Landung mithilfe der Platzrunde ist für eine reibungslose Landung in der Regel der bessere Weg.
Wollte ich ursprünglich noch in Heubach Platzrunden drehen, verwerfe ich diesen Plan. Wir haben die Reise zusammen angetreten, wir beenden sie auch gemeinsam. Als Abschluss wollen wir noch durch die CTR Stuttgart zu fliegen, wenn möglich mit einem Tiefanflug. Die Idee, dies als Formationsflug durchzuführen, lassen wir aufgrund von Sicherheitsbedenken aber fallen.
Auch der Anflug auf Stuttgart bringt mich noch einmal richtig ins Schwitzen, für mich zum ersten Mal an einem kontrollierten Platz. Es fällt mir bei steigender Nervosität zunehmend schwer, Kurs und Höhe zu halten. Dabei hilft auch nichts, dass meine Meldung über Sierra nicht rechtzeitig mit einer Freigabe beantwortet wird und wir vor dem Einflug in die Kontrollzohne hart abdrehen und neu ansetzen müssen. In der CTR dann zwei Standardkreise, Gegenanflug, Queranflug und einen schönen tiefen Überflug samt Ausflug über Echo. Wir landen sicher auf unserem Heimatflugplatz Pattonville.
Fazit
Was als Ausflugswunsch eines Flugschülers beginnt wird ein grandioser Trip, dem selbst erfahrene Piloten unserer Gruppe seine Einmaligkeit bezeugen.
Ich bedanke mich bei Hans-Jürgen, Oliver und vor allem Michael dafür dass sie sich bereits erklärt haben diesen Flug mit mir zu machen. Für ihre Geduld, mir das eine oder andere noch einmal zu erklären und ihre Erfahrung und ihr Wissen mit mir zu teilen. Als Flugschüler hat mir der Ausflug eine Menge Erfahrung gebracht und meine Erwartungen absolut übertroffen.
Abschließend möchte ich einen Gedanken teilen, der möglicherweise unter Fliegern gerne einmal untergeht: Ich blicke auf diesen Ausflug mit einer gewissen Demut zurück. Wird ein Flug doch unter Fliegern gerne (und auch aus gutem Grund) meist rein analytisch betrachtet und als „eine weitere Flugstunde“ ins Flugbuch eingetragen, so sollten wir uns immer wieder bewusst machen, welch unglaubliches Privileg es ist, die Welt aus dieser wunderschönen Perspektive erkunden zu dürfen.
Patrick Fischer